Predigt des Papstes in der Christmette am 24.12.2002

BOTSCHAFT VON PAPST JOHANNES PAUL II. BEIM SEGEN
"URBI ET ORBI"

Weihnachten, 25. Dezember 2002


1. Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt (Jes 9,5).
Heute erneuert sich das Weihnachtsgeheimnis:
Auch für die Menschen unserer Zeit wird dieses Kind geboren, das der Welt das Heil darreicht; mit seiner Geburt bringt es Freude und Frieden für alle.
Bewegt nähern wir uns der Krippe, um gemeinsam mit Maria dem von den Völkern Erwarteten, dem Erlöser des Menschen zu begegnen. 

Cum Maria contemplemur Christi vultum.
Mit Maria betrachten wir das Antlitz Christi: Es ist Gott, der uns in jenem Kind, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt (vgl. Lk 2, 7), besucht, „um unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken“ (Lk 1, 79).
Maria betrachtet dieses Kind, sie liebkost und wärmt es, und versucht den Sinn der Zeichen zu ergründen, die das Weihnachtsgeheimnis umhüllen. 


2.     Weihnachten ist ein Geheimnis der Freude!
Die Engel haben in der Nacht gesungen: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2, 14).
Den Hirten verkünden sie dieses Ereignis als „eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll“ (Lk 2, 10).
Freude – trotz der Entfernung von daheim, der Armut der Krippe, der Gleichgültigkeit des Volkes und der Feindseligkeit der Mächtigen.
Trotz allem
ist dies ein Geheimnis der Freude, weil in der Stadt Davids „heute der Retter geboren ist“ (Lk 2, 11).
An dieser Freude nimmt die Kirche teil. Sie ist heute vom Licht des Gottessohnes durchflutet: Die Finsternis kann sie niemals überwältigen. Dies ist die Herrlichkeit des Ewigen Wortes, das sich aus Liebe zu einem von uns gemacht hat.


3. Weihnachten ist ein Geheimnis der Liebe!
Es war die Liebe des Vaters,  die seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit dieser sein Leben für uns hingebe (vgl. 1 Joh 4, 8-9).
Die Liebe des „Gott-mit-uns“, des Immanuel, ist auf die Erde gekommen, um am Kreuz zu sterben.
Schon im kalten Stall und umgeben vom Schweigen kostet die jungfräuliche Mutter mit ihrem ahnenden Herzen das blutige Drama von Golgatha voraus.
Dies wird ein erschütternder Kampf zwischen Licht und Finsternis sein, zwischen dem Tod und dem Leben, zwischen Hass und Liebe.
Der Friedensfürst, der heute zu Bethlehem geboren ist, wird sein Leben auf Golgotha hingeben, damit auf Erden die Liebe den Sieg behalte. 


4.     Weihnachten ist ein Geheimnis des Friedens!
Aus der Grotte von Bethlehem erhebt sich heute der dringende Ruf, dass die Menschheit dem Misstrauen, dem Zweifel und dem Argwohn nicht nachgebe, auch wenn das tragische Phänomen des Terrorismus Unsicherheit und Angst zu verbreiten droht.
Im Verein mit allen Menschen guten Willens sind die Gläubigen einer jeden Religionen aufgerufen, jedwede Form von Intoleranz und Diskriminierung zu ächten und den Frieden aufzurichten: insbesondere im Heiligen Land, um die sinnlose Spirale blinder Gewalt zu stoppen, und im Nahen Osten, um das unheilvolle Flackern eines Konfliktes, der mit dem Einsatz aller vermeidbar ist, auszulöschen; sodann in Afrika, wo verheerende Hungersnöte und tragische innere Zwistigkeiten die schon prekären Lebensbedingungen ganzer Völker verschlimmern, auch wenn es nicht an Hoffnungsschimmern fehlt; schließlich in Lateinamerika, in Asien und in anderen Teilen der Welt, wo politische, wirtschaftliche und soziale Krisen nicht wenige Familien und Nationen aus dem Gleichgewicht bringen. Möge doch die Menschheit die weihnachtliche Friedensbotschaft aufnehmen! 


5.     Anbetungswürdiges Geheimnis des fleischgewordenen Wortes!
Mit Dir, o jungfräuliche Mutter, verharren wir gedankenvoll vor der Krippe, in der das Kind liegt, um dein Staunen angesichts des unendlichen Sich Herabneigens Gottes zu teilen.
Gib uns deine Augen, o Maria, um das Geheimnis zu entschlüsseln, das sich hinter der zarten Gestalt deines Sohnes verbirgt!
Lehre uns, in den Kindern aller Völker und Kulturen  sein Antlitz wiederzuerkennen!
Hilf uns, für seine Botschaft des Friedens und der Liebe glaubhafte Zeugen zu sein, damit die Männer und Frauen unserer Zeit, die noch tiefem Zwiespalt und unerhörter Gewalt unterworfen sind, in diesem Kind, das in deinen Armen liegt, den einzigen Heiland der Welt zu erkennen vermögen, die unerschöpfliche Quelle wahrer Freude, nach der im Grunde jedes Herz sehnsüchtig verlangt.


Quelle: Vatikan